Der Rummel entwirft eine bunte, zeitlose Welt, während sich die Realität außerhalb seiner Grenzen rasant verändert. Seit Jahren kehre ich hierhin zurück. In dieser Zeit haben sich politische und gesellschaftliche Spannungen verschärft – populistische Bewegungen, Kriege, Migration. Und doch bleibt der Rummel trotzig stabil: dieselben Lichter, dieselben Melodien, dieselben Gesten. Ein Mikrokosmos, der inmitten globaler Umbrüche seine eigene Ordnung bewahrt.
Der Titel Fairytale verweist auf diese Doppelbödigkeit. Er bezeichnet das Märchenhafte – das Versprechen von Freude und Unbeschwertheit – und zugleich das Zusammenspiel von fair und tale: Geschichten vom Rummel, flüchtige Erzählungen zwischen Licht, Körpern und Bewegung. Meine Arbeit richtet den Blick auf auf das, was sich zwischen Menschen abspielt.
Ich bewege mich ohne feste Richtung durch den Raum und sammle Fragmente, keine Geschichten. Manche Gesten tragen Gewicht: das Flüstern zweier Mädchen am Übergang zum Erwachsensein, ein Kind, das sich in gleichermaßen Staunen und Angst an die Eltern klammert, ein Mann mit ernstem Blick, der einen Plüschbären in tätowierten Armen hält, und der herausfordernde Blick eines jungen Mädchens in die Kamera, der uns auffordert, nicht zu stören. Diese Szenen wirken beiläufig, und doch verdichten sie etwas Größeres — eine Ambivalenz, die zwischen Intimität und Distanz, zwischen Spiel und Ernst liegt.
Der Rummel ist ein Ort der Widersprüche. Er verspricht Freude, doch in seinem Glanz liegt Erschöpfung. Er feiert Gemeinschaft, während sich inmitten des Lärms Isolation zeigt. Hinter Licht und Musik verbirgt sich eine stille Schwere, die kurz sichtbar wird, bevor sie wieder verschwindet. Die Kirmes ist ein Märchen, das sich selbst erzählt – ein Ritual, das die Illusion von Beständigkeit aufrechterhält, während die Realität leise in seine Kulissen dringt.
Was bleibt, ist kein Porträt einzelner Menschen, sondern das Bild eines kollektiven Zustands: ein Ort zwischen Illusion und Realität, Stillstand und Veränderung. Fairytale erzählt von der Sehnsucht, im grellen Schein der Oberfläche für einen Moment Halt zu finden, während die Welt sich unaufhörlich verändert.